Am 4.5.2022 hat der BGH (XII ZR 64/21) geurteilt: Für die Dauer der coronabedingten Schließung eines Fitnessstudios hat dieses keinen Anspruch auf Mitgliedsbeiträge.

Das Urteil enthält eine bemerkenswerte Abgrenzung zum Urteil desselben BGH-Senats vom 12.1.2022 (XII ZR 8/21): Dort hatte der BGH entschieden, dass im Fall einer coronabedingten Geschäftsschließung eine Anpassung der Miethöhe unter dem Aspekt einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB in Betracht zu ziehen ist (vgl. unseren Newsletter 1/2022).

Dagegen ist nach dem jüngsten Spruch des BGH im Rechtsverhältnis zwischen dem Betreiber eines Fitnessstudios und seinen Kunden, im Branchenjargon „Mitglieder“ genannt, eine Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB generell ausgeschlossen.

Sachverhalt

Der Betreiber des Fitnessstudios hatte auch für die Zeiten der coronabedingten Schließung Mitgliedsbeiträge eingezogen, und nach Reklamation nur eine „Gutschrift über Trainingszeit“ für den Zeitraum der Schließung, letztlich also eine befristete Fortsetzung der Nutzungsmöglichkeit über die vereinbarte Vertragsdauer hinaus, angeboten. Ein Kunde wollte das nicht, sondern verlangte zumindest einen Wertgutschein gemäß Art. 240 § 5 EGBGB. Das wiederum hatte der Studiobetreiber abgelehnt.

Entscheidung

Die Klage des Kunden auf Rückzahlung der Beiträge, die anteilig auf die Schließungsdauer entfielen, hatte in allen Instanzen Erfolg. Der BGH begründet den Erstattungsanspruch abschließend mit §§ 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB:

Dem Studiobetreiber war es rechtlich verboten, den Mitgliedern während des Lockdown Zutritt zu gewähren. Damit war für diesen Zeitraum die Erreichung des Vertragszwecks, den Kunden fortlaufend sportliche Betätigung unter Nutzung aller Einrichtungen des Studios zu ermöglichen, ausgeschlossen bzw. unmöglich.

Infolgedessen entfiel sowohl das Recht der Kunden, Zutritt zum Studio zu verlangen (§ 275 BGB) als auch ihre damit korrespondierende Pflicht zur Zahlung des Mitgliedsbeitrags (§ 326 BGB). Soweit der Beitrag schon geflossen ist, ist er nach § 346 BGB zu erstatten.

Die vom Studiobetreiber gewünschte Vertragsanpassung auf Grundlage von § 313 BGB ist ausgeschlossen. Dafür nennt der BGH zwei eigenständige Begründungen:

Vorrang des § 275 BGB

Eine Anpassung vertraglicher Pflichten an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung regelt. Daher ist § 313 BGB unanwendbar, wenn der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt ist.

Vorrang von Artikel 240 § 5 EGBGB

Eine Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB scheidet laut BGH „auch deshalb“ aus, weil mit Art. 240 § 5 EGBGB eine speziellere Vorschrift besteht, die in ihrem Geltungsbereich einem Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zur Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage entgegensteht.

Grundsätzlich ist eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB nicht möglich, wenn der Gesetzgeber das Risiko einer Geschäftsgrundlagenstörung erkannt und zur Lösung der Problematik eine spezielle gesetzliche Vorschrift geschaffen hat. Die durch Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie (u.a.) im Veranstaltungsrecht vom 15.5.2020 mit Wirkung vom 20.5.2020 eingeführte Norm des Art. 240 § 5 EGBGB ist eine solche spezialgesetzliche Regelung, die in ihrem Anwendungsbereich dem § 313 BGB vorgeht.

Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB hat dem Betreiber einer Freizeiteinrichtung das Recht eingeräumt, den Nutzungsberechtigten einen – gemäß Art. 240 § 5 Abs. 5 EGBGB bedingt auszahlbaren – Gutschein zu übergeben, der dem Wert des nicht nutzbaren Teils der Berechtigung entspricht. Daneben ist § 313 BGB unanwendbar.

Das Differenzierungskriterium des BGH

In seinem Urteil vom 12.1.2022 zur Gewerbemiete hatte der BGH die Anwendbarkeit von § 275 BGB verneint und jene von § 313 BGB bejaht, weil das Mietobjekt als solches dem Mieter trotz der an ihn (statt an den Vermieter) adressierten behördlichen Nutzungsuntersagung zur Verfügung stand.

Im Ergebnis differenziert der BGH für die Frage einer Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB also danach, an welchen der jeweiligen Vertragspartner ein mit Covid-19 begründetes Verbot gerichtet ist bzw. war.

Das Resultat ist insbesondere für die Betreiber von Freizeiteinrichtungen, die ihr Geschäft in gemieteten Räumen ausüben, fatal. Als Trost bleibt ihnen nur die Chance, das BGH-Urteil vom 4.5.2022 als (zusätzliches) Argument für ein auf § 313 BGB gestütztes Verlangen, die Miete für die Studioräume anzupassen, zu nutzen.

Bei Fragen sprechen Sie uns gern an.

Stand: 09.05.2021

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Prof. Dr. Andreas Quiring | Rechtsanwalt

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