Am 01.09.2021 hat das Bundeskabinett eine erneute Änderung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) beschlossen, die am 10.09.2021 in Kraft treten und – gekoppelt an die Dauer der epidemischen Lage nationaler Tragweite – mit Ablauf des 24.11.2021 außer Kraft treten wird. Der Referentenentwurf ist abrufbar unter https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/sars-cov-2-arbeitsschutzverordnung.html.
Berücksichtigung des Impf- oder Genesungsstatus
Klargestellt wurde, dass der Arbeitgeber einen ihm bekannten Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten bei der Festlegung und Umsetzung der Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes berücksichtigen darf. Dies war nach Auffassung des BMAS auch zuvor schon zulässig, soweit Kontakte ausschließlich zwischen vollständig Geimpften bzw. Genesenen stattfinden.
Die von Arbeitgebern ersehnte allgemeine Auskunftsverpflichtung der Beschäftigten über ihren Impf- bzw. Genesungsstatus ist hingegen nicht eingeführt worden. Das BMAS betont in der Verordnungsbegründung klarstellend, dass eine Auskunftspflicht der Beschäftigten nicht bestehen soll, was im juristischen Diskurs der Arbeitsrechtler teilweise deutlich anders gesehen wird. Diese (vermeintliche) Klarstellung ist bedauerlich: Solange der Impf-/Genesenenstatus einzelner Beschäftigter nicht bekannt ist, werden Arbeitgeber auch die übrigen betrieblichen Kontaktpersonen in der Regel nicht von einschränkenden Maßnahmen wie der Maskenpflicht befreien dürfen, was wiederum die Ausgestaltung betrieblicher Hygienekonzepte massiv erschwert bzw. zum Teil unmöglich macht. Sonderregelungen für immunisierte Personen können den Betriebsfrieden gefährden.
Ist hingegen der Impf-/Genesungsstatus aufgrund freiwilliger Auskünfte der Beschäftigten bekannt, können Arbeitgeber diese Information verwerten und ihr Hygienekonzept anpassen. Die Verordnungsbegründung erlaubt eine Differenzierung zwischen bestimmten Arbeitsbereichen und Teams: So wird man z.B. die Maskenpflicht in Bereichen im Betrieb entfallen lassen können, in denen sich ausschließlich immunisierte Personen aufhalten; oder Zusammenkünfte in Besprechungs- oder Pausenräumen für immunisierte Personen wieder großzügiger zulassen können.
Unklar ist weiterhin das Verhältnis zwischen zwei Vorgaben der Corona-ArbSchV, die nicht geändert wurden: § 3 Satz 1 Corona-ArbSchV zwingt zur Reduktion betriebsbedingter Kontakte; Satz 2 gibt vor, dass die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren ist. Aber wann ist eine persönliche Zusammenkunft in Zeiten von Videocalls etc. noch absolut betriebsnotwendig?
Arbeitgebern ist anzuraten, bis auf weiteres stets Personenzahl und Raumgröße im Blick zu behalten. Jedenfalls für geimpfte und genesene Personen sollten Besprechungen etc. wohl wieder ohne größere Einschränkungen, resp. ohne Maskenpflicht, möglich sein. Angemessene Schutzmaßnahmen, z.B. regelmäßiges Lüften, ist aber nach wie vor das Gebot der Stunde.
Freistellung zur Impfung
Ab 10.09.2021 müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten ferner ermöglichen, sich während der Arbeitszeit gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Die Vorschrift in § 5 Corona-ArbSchV begründet einen Freistellungsanspruch der Beschäftigten, sagt aber nichts darüber aus, ob die Freistellung vom Arbeitgeber zu bezahlen ist oder nicht. Da die Verordnungsbegründung bei der Beschreibung des Erfüllungsaufwands für die Wirtschaft von über 300 Millionen Euro Lohnkosten (!) ausgeht, die durch die eingeführte Verpflichtung zur Ermöglichung einer Schutzimpfung während der Arbeitszeit für die Geltungsdauer der Verordnung entstehen, wird man daraus zwingend schließen müssen, dass der Verordnungsgeber von einer bezahlten Freistellung ausgeht.
Außerdem
müssen Arbeitgeber nach dem neuen § 5 Corona-ArbSchV
- die Corona-Schutzimpfungen durchführenden Betriebsärzte organisatorisch und personell unterstützen
- die Beschäftigten über die Gesundheitsgefährdung einer Erkrankung mit COVID-19 aufklären und
- die Beschäftigten über die Möglichkeit einer Schutzimpfung informieren.
Informationen über die Gefahren von COVID-19 und die Möglichkeit der Impfung sind daher künftig in die arbeitsschutzrechtliche Unterweisung (§ 12 ArbSchG) einzubeziehen.
Macht der Arbeitgeber Werbung für eine Schutzimpfung im Betrieb, sollte er jeden Anschein eines Behandlungsvertrags mit den Beschäftigten vermeiden, insbesondere die Impfung durch die Betriebsärzte bzw. extern beauftragten Ärzte selbstständig organisieren und durchführen lassen.
Testangebotspflicht bleibt bestehen
Weitere Neuerungen enthält die neue Fassung der Corona-ArbSchV nicht. V.a. bleiben Arbeitgeber zum zweimal wöchentlichen Angebot eines kostenfreien Coronatests verpflichtet, soweit der Beschäftigte nicht ausschließlich im Homeoffice arbeitet.
Bei Fragen zum Thema sprechen Sie uns gerne an.
Stand: 09.09.2021
Tobias Schwartz | Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Handels- u. Gesellschaftsrecht
tobias.schwartz@lkc.de
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