Am 11. Juni 2021 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Dienst (FüPoG II) beschlossen. Einen Bestandteil des FüPoG II stellt dabei die gesetzliche Verankerung der Möglichkeit einer „Auszeit“ und „Mandatspause“ für Geschäftsleitungsmitglieder dar. Durch die gesetzliche Neuregelung haben die Geschäftsleitungsmitglieder von Unternehmen nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit und in Fällen des Mutterschutzes einen gesetzlichen Anspruch darauf, ihr Mandat temporär ruhen zu lassen. Die Gesetzesänderung geht maßgeblich auf die Initiative #stayonboard zurück, mit welcher ein Recht für Vorstandsmitglieder gefordert wurde, ihr Amt bei längerfristiger Abwesenheit (z.B. Mutterschutz, Elternzeit, längerfristige Krankheit, Pflege von Angehörigen) temporär ruhen lassen zu können, ohne persönlichen Haftungsrisiken für Entscheidungen während ihrer Abwesenheit ausgesetzt zu sein.

I. Bisherige gesetzliche Regelung

Bislang sahen u.a. das Aktiengesetz (AktG) und das GmbH-Gesetz (GmbHG) keine Möglichkeit vor, dass Geschäftsleitungsmitglieder ihr Amt bzw. Mandat haftungsbefreiend temporär unterbrechen oder ruhen lassen zu können. Denn anders als für Arbeitnehmer*innen gab es keinen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschutz, bei Elternzeit oder Pflegezeit. Anwendbar war allenfalls § 616 BGB, wonach der Dienstverpflichtete, der für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit – in der Regel allenfalls für zehn Tage – unverschuldet an der Erbringung seiner Dienste gehindert ist, einen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung hat. Ein
Geschäftsleitungsmitglied hat aber während der Dauer seiner Bestellung fortwährend die Pflicht, bei seiner Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden, sodass keine Möglichkeit bestand, diese Pflicht auf andere Mitglieder der Geschäftsleitung mit haftungsbefreiender Wirkung zu übertragen. Wollte ein Geschäftsleitungsmitglied der zivilrechtlichen/strafrechtlichen Verantwortlichkeit entgehen, musste es bislang daher de lege lata sein Amt zwingend ohne Rückkehrmöglichkeit niederlegen.

II. Die gesetzliche Neuregelung

Durch das FüPoG II wird nun u.a. den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft sowie den Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern einer GmbH die Möglichkeit eröffnet, Anspruch auf eine temporäre, familiär oder persönlich bedingte Auszeit von ihrer Tätigkeit zu nehmen.

Der Anspruch von Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft auf ein temporäres Ruhenlassen des Mandats wird nun in Abs. 3 des § 84 AktG n.F. geregelt. In rechtstechnischer Hinsicht ist die vorübergehende Auszeit bzw. das Ruhenlassen des Mandats als Widerruf der Bestellung, verbunden mit der Zusicherung einer Wiederbestellung nach dem Ende der Auszeit, ausgestaltet.

Schwangere Vorstandsmitglieder haben gemäß § 84 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AktG n.F. einen verbindlichen Anspruch auf den Widerruf ihrer Bestellung durch den Aufsichtsrat für die Dauer der in § 3 Abs. 1 und 2 des Mutterschutzgesetzes festgelegten Schutzfristen. Ein Widerspruchsrecht steht dem Aufsichtsrat insoweit ausdrücklich nicht zu. Nach Ablauf der vorgenannten Schutzfristen hat die Vorständin gegenüber dem Aufsichtsrat einen Anspruch auf Wiederbestellung.

Daneben haben Vorstandsmitglieder nach § 84 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AktG n.F. zwar keinen verbindlichen Anspruch – aber die Möglichkeit, den Aufsichtsrat für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten um einen Widerruf ihrer Bestellung zu ersuchen, wenn sie Elternzeit nehmen möchten, einen Familienangehörigen pflegen oder selbst erkrankt sind. Der Aufsichtsrat kann einem solchen Verlangen widersprechen, wenn und soweit diesem ein wichtiger Grund aus der Sphäre der Gesellschaft entgegensteht.

In den Fällen der Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder im Falle einer eigenen Erkrankung haben Vorstandsmitglieder nach § 84 Abs. 3 Satz 3 AktG n.F. zudem die Möglichkeit, ihre Bestellung für die Dauer eines Zeitraums von bis zu zwölf Monaten widerrufen zu lassen. Auch in diesem Fall steht dem Aufsichtsrat ein Widerspruchsrecht – allerdings ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes – zu, sodass diese Möglichkeit insofern im Ermessen des Aufsichtsrates liegt.

Das Gesetz sieht ein Nebeneinander der Ansprüche vor, sodass sie grundsätzlich miteinander kombiniert werden können.

Die vorstehend für die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft dargestellten Neuregelungen geltend entsprechend für die Geschäftsleitungsorgane weiterer Gesellschaftsformen, so ist die Möglichkeit des vorübergehenden Ruhenlassens des GmbH-Geschäftsführeramtes in § 38 Abs. 3 GmbHG n.F. normiert. Es gelten die dieselben Voraussetzungen wie bei der Aktiengesellschaft.

III. Fazit

Die gesetzliche Neuregelung, insbesondere die differenzierte Ausgestaltung, trägt den Interessen sowohl der Geschäftsleitungsmitglieder als auch der Unternehmen hinreichend Rechnung. Keine Regelungen treffen die neuen Vorschriften aber für die Frage, ob und in welchem Umfang die Vergütung des Vorstandsmitglieds während der Auszeit bzw. während des Widerrufs der Bestellung durch die Gesellschaft fortzuzahlen ist, der Dienstwagen weiterhin genutzt werden kann oder eine Pflicht zur Erreichbarkeit besteht. Dies hängt somit von den individuellen Vereinbarungen zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsleitungsmitglied ab, sodass in den Anstellungsverträgen künftig entsprechende Regelungen aufgenommen werden sollten. Auch sieht die Neuregelung keine Fristen zur Geltendmachung der Mandatspause vor, sodass diese zur Vermeidung von Uneinigkeiten ebenso vertraglich vereinbart werden können.

 

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Stand: 14.12.2021

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Tobias Schwartz | Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Handels- u. Gesellschaftsrecht

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