KStg § 8 Abs. 3 S. 2; AStg § 1

  1. Für die Ermittlung fremdüblicher Darlehenszinssätze ist vor Anwendung der sog. Kostenaufschlagsmethode zu prüfen, ob die Vergleichswerte mit Hilfe der Preisvergleichsmethode ermittelt werden können. Das gilt auch für unbesichert gewährte Konzerndarlehen und unabhängig davon, ob die Darlehen der Muttergesellschaft oder einer als Finanzierungsgesellschaft fungierenden anderen Konzerngesellsacht gewährt worden sind.
  2. Für die Beurteilung der Bonität ist nicht die durchschnittliche Kreditwürdigkeit des Gesamtkonzerns, sondern die Bonität der darlehensnehmenden Konzerngesellschaft maßgebend („Stand alone“-Rating). Ein nicht durch rechtlich bindende Einstandsverpflichtungen anderer Konzernunternehmen verfestigter Konzernrückhalt ist nur zu berücksichtigen, falls ein konzernfremder Darlehensgeber der Konzerngesellschaft dadurch eine Kreditwürdigkeit zuordnen würde, die die „Stand alone“-Bonität der Gesellschaft übersteigt.
    BFH, Urt. v. 18.05.2021 – I R 4/17, DStR 2021, 2506 (Vorinstanz: DStRE 2018, 430)

Sachverhalt

Die Klägerin (Kl.) eine inländische 100%ige Tochtergesellschaft der niederländischen Y-NV, erhielt von ihrer niederländischen Schwestergesellschaft Z-BV in den Streitjahren 2002 und 2003 Darlehen zu Zinssätzen zwischen 4,375% und 6,45% ohne Sicherheiten. Daneben nahm die Kl. in den Streitjahren auch eine Kontokorrent-Darlehen bei einer Bank zu einem Zinssatz von 5,75% auf, wofür die Y-NV als Konzernobergesellschaft bürgte. Das FA hielt den Zinsaufwand auf die Konzerndarlehen für überhöht und behandelte ihn insoweit als vGA. Es ermittelte den angemessenen Zins auf Grundlage der Kostenaufschlagsmethode anhand der Refinanzierungskosten der Z-BV, eines mit 70% des Zinssatzes dieser Kosten angesetzten Eigenkapitalzinses, der anteiligen Personalkosten und eines Gewinnzuschlags von 5%. Die Klage gegen die auf dieser Berechnung beruhenden Änderungsbescheide hatte teilweise Erfolg. Das FG lehnte zwar die von der Kl. begehrte Anwendung der Preisvergleichsmethode ab und hielt – wie das FA – die Kostenaufschlagsmethode für zutreffend. Es kam aber durch eigene Berechnungen zu höheren Fremdvergleichszinsen als das FA, indem es die Eigenkapitalkosten mit 150% statt 70% der Fremdkapitalkosten ansetzte. Gegen das FG-urteil legte die Kl. Revision und das FA Anschlussrevision ein.

Entscheidung

Der BFH folgte dem vom FG durchgeführten Fremdvergleich nach der Kostenaufschlagsmethode nicht und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung zurück. Zu Recht seien die Darlehenszinsen einem Fremdvergleich als Maßstab der Einkünfteabgrenzung zur Feststellung einer vGA (§ 8 Abs. 3 S. 2 KStgG) unterzogen worden, weil auch eine Vorteilsverschaffung der dem Gesellschafter Y-NV nahestehenden Z-BV den Tatbestand der vGA erfülle, wenn auf ein von dieser gewährtes Darlehen Zinsen gezahlt würden, die unter sonst vergleichbaren Bedingungen einem fremden Darlehensgeber nicht gezahlt worden wären. Die mit UntStRefG 2008 v. 14.08.2007 in § 1 Abs. 1. S. 3 (jetzt: S. 4) AStG eingefügte Idealkonkurrenz zugunsten der weitergehenden Abgrenzungsbestimmung spiele im Streitfall keine Rolle, weil im Rahmen des § 1 Abs. 1 AStG für den Fremdvergleich keine anderen Maßgaben als für eine vGA gälten. Entgegen der Auffassung des FG bestimmten sich fremdübliche Darlehenszinssätze in Übereinstimmung mit den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen v. Februar 2020 vorrangig nach der Preisvergleichsmethode als „Grundmethode“. Zur Herstellung der Vergleichbarkeit sei es bei der Bonitätsbeurteilung der Kl. im Rahmen des „internen“ Fremdvergleichs erforderlich, den Einfluss der Sicherheitengestellung durch die Y-NV als Konzernobergesellschaft auf die vereinbarte Zinshöhe im Rahmen einer Schätzung zu quantifizieren und zu eliminieren. Beim „externen“ Fremdvergleich gelte dasselbe, wenn ein ohne rechtlich bindende Einstandsverpflichtung anderer Konzerngesellschaften verfestigter Konzernrückhalt zu Gunsten des Darlehensnehmers, zum Beispiel in Folge dessen strategischer Bedeutung für den Gesamtkonzern, zu höherer Kreditwürdigkeit führe, um zur erforderlichen „Stand alone“-Betrachtung zu gelangen.

 

Praxishinweis

Zur Bestimmung angemessener Preise für konzerninterne Finanzierungen muss die Konzernverbundenheit des Darlehensnehmers im Rahmen der Preisvergleichsmethode hinweggedacht werden („Stand alone“-Bonität). Die Besprechungsentscheidung gibt dem FG als Tatsacheninstanz daher auf, die Auswirkungen einer Konzernsicherheit oder eines Konzernrückhalts auf die Bonität durch Schätzung zu bestimmen und zu beseitigen. Das BMF kommt in Rn. 3.92 der neuen Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise v. 14.07.2021 (IV B 5 – S 1341/19/10017 :001, BStBl. I 2021, 1098, BeckVerw 550680) zur diametral entgegengesetzten Auffassung des Vorrangs der Kostenaufschlagsmethode. Damit besteht mE kurz nach Erlass des BMF-Schreibens bereits wieder Änderungsbedarf.

Dr. Stephan Salzmann, RA/StB,
LKC Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München

Download Rechtsprechung Internationales Steuerrecht, DStRK 24/2021, S. 323 v. 18.12.2021