Keine freie Widerruflichkeit einer Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung

Nach Ansicht des OLG München (7 U 6538/20) soll die einmal erfolgte Stimmabgabe eines Gesellschafters nicht frei widerruflich sein. Im konkreten Fall erfolgte die Abstimmung nicht in Präsenz der Gesellschafter, sondern im schriftlichen Verfahren, bei dem innerhalb eines definierten mehrwöchigen Zeitfensters die Gesellschafter ihre Stimmen abgeben konnten. Eine Gesellschafterin stimmte innerhalb der laufenden Abstimmungsfrist zunächst mit „Ja“, änderte sodann aber mit weiterem Schreiben innerhalb der laufenden Abstimmungsfrist die Stimmabgabe zu „Nein“. Diese Änderung war, so das OLG München, nicht möglich.

Zunächst stellt die Entscheidung auf die als gefestigt anzusehende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ab, nach der eine Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung als Willenserklärung (§ 130 BGB) einzustufen ist. Eine Willenserklärung unter Anwesenden wird wirksam, sobald der Erklärungsempfänger diese vernimmt; eine Erklärung unter Abwesenden wird wirksam, sobald sie dem Empfänger übermittelt wurde. Sobald eine Erklärung wirksam geworden ist, kann sie nicht mehr frei widerrufen werden.

Das OLG München widmet sich sodann der in der Rechtsprechung und Literatur bislang umstrittenen Frage, ob ein vor Ablauf der Abstimmungsfrist – und damit vor der Feststellung des Beschlussergebnisses – eingehender Widerruf respektive eine geänderte Stimmabgabe im schriftlichen Abstimmungsverfahren möglich ist. Diese Frage hat das OLG München verneint; es sah auch keine Notwendigkeit eine Widerrufbarkeit der Stimmabgabe nach Zugang anzunehmen, wenn wichtige Gründe für eine geänderte Stimmabgabe sprächen. Der Gesellschafter könne allenfalls nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen seine Erklärung anfechten oder die Gesellschafter könnten auf Basis neuer Erkenntnisse eine neue Abstimmung herbeiführen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig; gegen sie wurde Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt (BGH II ZR 64/23).

 

Stand: Dezember 2023
Autor: LKC Rechtsanwälte

Dr. Alexander Frank | Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht

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