Relativ überraschend hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 13. September 2022 entschieden, dass bereits jetzt die gesetzliche Verpflichtung zur Aufzeichnung der gesamten Arbeitszeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern besteht (eine ausführliche Besprechung der Entscheidung finden Sie in unseren Sondernewslettern vom 20.09.2022 sowie vom 08.12.2022). Da es dazu bislang keine ausdrücklichen gesetzliche Regelungen gab – das BAG stützte sich in seiner Begründung auf den allgemein gehaltenen § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes – blieben v.a. auf Arbeitgeberseite viele Unwägbarkeiten bestehen und Detailfragen offen.

Mit Spannung wurde daher die Reaktion des Gesetzgebers erwartet. Nun hat das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales einen ersten Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und anderer Vorschriften (RefE-ArbZG) vorgelegt, mit dem erstmals gesetzliche Vorgaben im Hinblick auf die Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit geschaffen werden sollen:

  1. Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit in elektronischer Form

Nach dem RefE-ArbZG sollen Arbeitgeber ausdrücklich verpflichtet sein, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen – und zwar jeweils am Tag der Arbeitsleistung und in elektronischer (digitaler) Form. Dazu wird auch gehören, dass die Pausenzeiten erfasst werden. Anzumerken ist, dass eine Excel-Tabelle für die elektronische Form wohl ausreichen wird. Für Unternehmen mit weniger als 250 bzw. weniger als 50 Mitarbeitern soll für die Einrichtung eines solchen elektronischen Erfassungssystems eine Übergangsfrist von zwei bzw. fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes gelten.

Nachweise über aufgezeichnete Arbeitszeiten sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren.

Durch Regelung in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (sog. Tariföffnungsklausel) kann anstelle der elektronischen auch eine andere Form der Aufzeichnung bzw. eine längere Frist für die Aufzeichnung (bis zu 7 Kalendertage) vereinbart werden.

Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer auf Verlangen über die aufgezeichnete Arbeitszeit informieren, wobei auch die Möglichkeit besteht, diesen Vorgaben durch die Möglichkeit zur eigenständen Einsichtnahme in die elektronischen Aufzeichnungen sowie Kopien anzufertigen, entsprochen werden kann.

  1. Erfasste Arbeitnehmer, Delegation der Zeiterfassung auf diese

Die Pflicht zur Aufzeichnung kann vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer selbst oder auf einen Dritten (z.B. den Vorgesetzten) übertragen werden.

Ob auch Zeiten von leitenden Angestellten erfasst werden müssen oder nicht, war nach der Entscheidung des BAG in der einschlägigen Fachpresse umstritten. Diese Frage dürfte in Anbetracht dessen, dass der Gesetzgeber sich offensichtlich nun zur Umsetzung der Aufzeichnungspflicht im ArbZG entschieden hat, dieses aber auf leitende Angestellte keine Anwendung findet (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG), nun dahingehend zu beantworten sein, dass Arbeitszeiten leitender Angestellter nicht erfasst werden müssen.

Auch weitere Arbeitnehmergruppen – z.B. Führungskräfte und „herausgehobene Experten“ – sollen von der Arbeitszeiterfassung ausgenommen werden können, aber nur durch Regelung in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung.

  1. Vertrauensarbeitszeit soll weiterhin möglich sein

Das vielbeschworene Ende der Vertrauensarbeitszeit wird nicht kommen. Dies geht aus § 16 Abs. 4 RefE-ArbZG hervor, der die Möglichkeit des Verzichts des Arbeitgebers auf die Kontrolle der Einhaltung arbeitsvertraglichen Arbeitszeit ausdrücklich vorsieht. Arbeitgeber haben aber durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass ihnen Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden (z.B. durch automatische Warnmeldungen des elektronischen Zeiterfassungssystems).

  1. Bußgeld bei Nichtbeachtung der Aufzeichnungspflicht

Wer als Arbeitgeber vorsätzlich oder fahrlässig Aufzeichnungen der Arbeitszeit nicht oder nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig erstellt, handelt künftig ordnungswidrig und muss sich auf eine Geldbuße bis zu 30.000 Euro einstellen (§ 22 Abs. 2 RefE-ArbZG).

  1. Fazit

Im Referentenentwurf werden lediglich die (Minimal-)Vor-gaben des BAG und des EuGH umgesetzt – die große Reform des ArbZG bleibt aus. Darüber hinaus ist vieles weiterhin gar nicht oder nur schwammig geregelt:

So findet sich etwa keine Bestimmung dazu, ob auch kurzzeitigen Tätigkeiten (z.B. Beantwortung einer dienstlichen E-Mail nach Feierabend) als Arbeitszeit zählen und gar dazu geeignet sind, die gesetzlichen Ruhezeiten zu unterbrechen. Ebenso unklar bleibt die Frage, ob Zeiten der Rufbereitschaft – die nach neuester Rechtsprechung dann als Arbeitszeit zählt, wenn bei objektiver Betrachtung dem Arbeitnehmer erhebliche Einschränkungen auferlegt werden, die eine freie Einteilung seiner Freizeit nicht mehr erlauben – erfasst werden müssen.

Die vielfach geäußerte Kritik an der – aufgrund der generellen Flexibilisierung der Arbeit – als nicht mehr zeitgemäß angesehenen „Starrheit“ des ArbZG verhallt unerhört. Die relativ strengen Vorgaben hinsichtlich werktägliche Höchstarbeitszeit, Pausen- und Ruhezeiten sollen nach dem Willen des BMAS völlig unverändert bleiben.

Bislang handelt es sich nur um einen ersten Entwurf, bei dem zu bezweifeln ist, ob er vom Gesetzgeber tatsächlich so beschlossen wird. Dass auf Arbeitgeber einschneidende Verpflichtungen (auch in finanzieller Hinsicht) zukommen werden, darf jedoch als gesichert angesehen werden. Der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft wird vom Gesetzgeber (optimistisch) auf rund 74 Millionen Euro geschätzt.

Bei Fragen zum Thema sprechen Sie uns gerne an.

Stand: 25.04.2023

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Tobias Schwartz | Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Handels- u. Gesellschaftsrecht

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Matthias Wißmach | Rechtsanwalt

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