Die Erhöhung des Mindestlohnes auf EUR 12,00 pro Stunde zum 01.10.2022 hat auch mittelbare Auswirkungen auf geringfügige Beschäftigungsverhältnisse („Minijobs“) – die Geringfügigkeitsgrenze erhöht sich von bislang EUR 450,00 auf EUR 520,00. Auch bei den sog. Midijobs gibt es Änderungen.
1. Unter einer geringfügigen Beschäftigung – auch „Minijob“ genannt – ist ein Beschäftigungsverhältnis zu verstehen, bei dem das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt einen bestimmten Betrag nicht überschreitet (Entgeltgeringfügigkeit). Ob die Tätigkeit mit dem Mindestlohn vergütet wird oder der Arbeitnehmer mehr erhält, ist unerheblich. Seit dem 01.10.2022 liegt die Grenze nun bei EUR 520,00 statt wie bisher EUR 450,00 pro Monat, außerdem ist sie dynamisiert, d.h. sie kann künftig durch das Bundesarbeitsministerium ggf. an weitere Erhöhungen des Mindestlohnes angepasst werden.
Welchen Einfluss eine ungeplante Überschreitung dieser Grenze auf die Einordnung als Minijob hat, war bislang nur unzureichend durch Verwaltungsvorschriften der Sozialversicherung geregelt. Seit dem 01.10.2022 gilt gesetzlich: Eine Überschreitung der Grenze beseitigt die Geringfügigkeit der Beschäftigung nicht, wenn sie innerhalb eines Jahres nicht mehr als zweimal überschritten wird, wobei der Mehrverdienst das Doppelte der Geringfügigkeitsgrenze (EUR 1.040,00) nicht überschreiten darf. Pro Jahr dürfen Minijobber also maximal EUR 7.280,00 verdienen.
Arbeitnehmer in einer sog. „Zwischenzone“ (EUR 450,01 bis EUR 520,00), die bislang versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege-, und Arbeitslosenversicherung waren, es nach der Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenze nun aber eigentlich nicht mehr wären, genießen vorübergehenden Bestandsschutz. Sie bleiben bis zum 31.12.2023 versicherungspflichtig in den genannten Zweigen der Sozialversicherung, können sich aber von der Versicherungspflicht in Kranken- und Pflegeversicherung auf Antrag bis spätestens 02.01.2023 rückwirkend zum 01.10.2022 befreien lassen, sofern nicht nach dem 30.09.2022 Leistungen der Krankenkasse beansprucht wurden (dann gilt die Befreiung erst ab dem auf die Antragsstellung nachfolgenden Kalendermonat). Die Befreiung von der Arbeitslosenversicherung kann auch nach dem 02.01.2022 beantragt werden. Bei der Rentenversicherung sind die Regelungen des Minijobs ohne Übergangsfristen anzuwenden.
2. Bei den sog. „Midijobs“ handelt es sich um Beschäftigungsverhältnisse mit einem monatlichen Einkommen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze bis zu einem Betrag von bislang maximal EUR 1.300,00 (sog. Übergangsbereich). Der Maximalbetrag wurde nun auf EUR 1.600,00 erhöht. Im Unterschied zu Minijobs besteht bei Midijobs Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung. Dabei war auf Seiten der Arbeitnehmer Grundlage der Verbeitragung das gesamte Einkommen (also auch das Einkommen bis zur Geringfügigkeitsgrenze) – allerdings bei reduzierten Beitragssätzen. Auf Unternehmerseite war der normale Arbeitgeberbeitrag zu entrichten.
Mit der Reform des § 20 SGB IV zum 01.10.2022 sollen nun diese aus der Verbeitragung resultierenden Hemmnisse, die den Übergang von einem Minijob in einen Midijob teilweise unrentabel machten, abgebaut werden. Das Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze von bislang EUR 450,00 hatte nämlich zur Folge, dass ein Beschäftigter, der EUR 450,01 verdiente, mit rund 10 % Sozialabgaben belastet wurde, während der Arbeitgeberanteil vom Pauschalbetrag von 28 % im Minijob auf 20 % im Midijob fiel. Midijobs waren für Beschäftigte somit erst ab einem Bruttolohn von etwa EUR 510,00 von Interesse. Dieser „Beitragssprung“ wurde nun geglättet, d.h. der vom Beschäftigten zu tragende Beitrag setzt oberhalb der EUR 520,00 bei „Null“ an und steigt mit dem darüberhinausgehenden Einkommen. Konsequenz ist, dass bei einem knapp über der Geringfügigkeitsgrenze liegenden Einkommen der volle Schutz der Sozialversicherung nahezu umsonst gewährt wird.
Getragen wird diese Entlastung der Beschäftigten im Übergangsbereich allerdings von den Arbeitgebern (und den Sozialversicherungsträgern): Deren Beitrag liegt wie im Minijob bei 28 % und sinkt – spiegelbildlich zu den steigenden Arbeitnehmeranteilen – mit einem steigenden Gehalt bis auf die regulären rund 20 % ab.
Begrüßenswert ist, dass mit der Neuregelung ein erster Schritt getan wurde, Fehlanreize, die zum Verbleib in einer geringfügigen Beschäftigung führen können, zu beseitigen. Ob dies ausreicht, oder ob noch weitere Hindernisse im Steuerrecht, aber auch im Sozialversicherungsrecht, abgebaut werden müssen, bleibt abzuwarten.
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Stand: 19.10.2022
Tobias Schwartz | Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Handels- u. Gesellschaftsrecht
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Matthias Wissmach | Rechtsanwalt
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